Herbsttag- und Nachtgleiche

Wir sind an einem Gleichgewichtspunkt angelangt. Tag und Nacht sind gleich lang. Alles ist ausgeglichen, befindet sich in einer magischen Waage. Es ist ein bedeutender Wendepunkt. Er erinnert uns daran, dass nach der Fülle im Außen es jetzt Zeit ist wieder mehr nach innen zu schauen. Wir halten Rückblick, ob wir einen fruchtbaren Samen gelegt haben und diesen auch gut genährt haben. Wir fragen uns wie unsere Ernte ausgefallen ist.

Jetzt ist eine gute Zeit um zu prüfen und Bilanz zu ziehen, was die guten Erfahrungen in diesem Jahr waren und was die weniger guten. Wir können danken für alles was wir erreicht haben, aber uns auch anschauen, was nicht so gut gelungen ist, was wir verloren haben, was wir vielleicht verändern können.

Jetzt werden die Nächte wieder länger und die Dunkelheit kehrt zurück. In der Natur schwindet die Kraft und die Tage werden nun immer kürzer. Am Morgen liegt oft noch Nebel über dem Land. Die Spinnennetze glitzern in der Sonne. Alles erscheint in einem rot-goldenen Licht. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen, denn immer öfter ziehen Regenfälle und Herbstwinde über das Land.

Wir erfreuen uns am Blühen der letzten Herbstblumen. Die Natur schenkt uns eine Fülle an Obst, Gemüse und Getreide, welches wir einkochen und verarbeiten um es auch im Winter noch genießen zu können. Was immer noch zuviel ist, teilen wir mit denen die weniger haben, bei denen die Ernte heuer nicht so gut war. In der Natur herrscht immer ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen. Die Herbsttag- und Nachtgleiche unterstützt uns dabei alles in Balance zu halten.

Auch die Tierwelt bereitet sich auf den Winter vor. Einige Vögel fliegen in wärmere Länder. Manche Tiere fressen sich noch einmal so richtig voll oder legen sich Vorräte an. Andere bereiten sich auf den Winterschlaf vor.
In früheren Zeiten wurden die Schweine in den Wald getrieben, damit sie sich mit Eicheln und Bucheckern mästen konnten.

Bei unseren Vorfahren hing das Überleben im Winter von einer guten Ernte ab, darum wurde in den ursprünglichen Kulturen der Erntedank groß gefeiert und gedankt. Ein besonderer Dank galt der  Mutter Erde. Aber auch den Wettergottheiten wurde gedankt, weil sie ebenso an einer guten Ernte beteiligt waren. Man ließ auch immer einige Feldfrüchte oder Obst als Dank zurück.

Die Erntedankfeuer sind auch ein Dank für die reichlichen Gaben der Natur und ein Symbol für ein langsames Abschiednehmen von der lichten Seite des Jahres. Es wird langsam Zeit, sich auf die Reise in die inneren Welten zu begeben in dem Wissen dass die Dunkelheit die andere Seite des Lichts ist. Der neue Samen ruht in der Tiefe im Schoß von Mutter Erde. Während die Blätter der Bäume abfallen, werden bereits wieder die neuen Knospen angelegt, die im kommenden Frühling neu austreiben.

Am Michaelstag, welcher am 29. September gefeiert wird, sagte man: „Michael steckt das Licht an. Das Gesinde muss zum Spinnen ran.“ Dieser Tag galt als Beginn der Winterarbeit, die hauptsächlich aus Weben und Spinnen bestand. Dabei wurde viel gearbeitet, aber auch gesungen und geredet. Die Großmütter galten damals noch als weise alte Frauen und gaben ihre Lebenserfahrungen an ihre Kinder und Enkelkinder weiter.

Viele Menschen, Engel, Naturwesen und Mutter Erde haben uns durch das Jahr begleitet und uns reich beschenkt. Wir sagen danke an alle die uns geholfen haben.

Die Göttin wandelt sich langsam in die Weise Alte, die in ihrem Bauch die Samen über den Winter behütet. Sie wird demnächst zu spinnen anfangen. Wenn im Altweibersommer die feinen, filigranen Spinnfäden durch die Luft fliegen, glaubte man, dass sie vom Spinnrad der Frau Holle stammen.

Der Korngott oder männliche Begleiter der Göttin steigt in die Erde hinab. Er ist das vergängliche Prinzip, das jetzt im Herbst stirbt. Aber dieses Sterben beinhaltet bereits wieder das Neu geboren werden. So dreht sich das Rad des Lebens immer weiter.